Die Streckensicherung

Eine lockere Reportage unseres Sportwart-Kollegen und RING1.de - Journalisten Oliver v. Fragstein.

Wenn man im Allgemeinen von den 'Streckenposten' spricht, meint eigentlich jeder die orange bekleideten Männer und Frauen, die an der Nordschleife oder anderen Rennstrecken zu jeder Rennsituation ihre bunten Flaggen schwenken.

Die Bedeutung dieser Flaggen sollte sicherlich jedem Motorsport Fan aus zahllosen RTL-Formel1-Übertragungen bekannt sein, wenn Heiko Wasser und Christian Danner die Aktionen der 'Marshalls' kommentieren.

Aber steckt bei der Rennstreckensicherung nicht wesentlich mehr dahinter?

In einer losen Serie möchte Euch Oliver v. Fragstein die Aufgaben der 'Sportwarte der Streckensicherung' etwas näher bringen.



Im Jahre 2007 iniziierten die Fahrer Dirk Adorf und Johannes Scheid eine Aktion zur Sicherheit für die Sportwarte der Streckensicherung. Johannes Scheid sorgte daraufhin in den Jahren 2007 und 2008 mit großem selbstlosen Aufwand für die Anschaffung von orangen Jacken für alle Sportwarte an der Strecke.

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Teil 1  -  Der Sportwart

Streckenposten und Marshall. Begriffe die jeder schon einmal gehört hat. Aber 'Sportwart der Streckensicherung'? Dies ist die offizielle deutsche Bezeichnung der umgangssprachlich genannten 'Streckenposten'. Denn der Streckenposten ist im eigentlichen Sinne keine Person, sondern bezeichnet die festgelegten Stellen an der Rennstrecke, an denen die Sportwarte ihren Dienst verrichten.

Im Allgemeinen beschränkt sich dieser Dienst wohl auf das Schwenken der Signal-Flaggen (nicht Fahnen), so beobachten es zumindest viele Zuschauer von außen. Doch das weit mehr hinter dieser Tätigkeit steckt als man denkt, bekommt man meistens nicht mit. Ja hätten die Sportwarte nicht so auffällige Flaggen und Warnwesten,, würde sie kaum jemand bemerken. Denn egal wie groß oder klein die Rennveranstaltung ist, der Sportwart und die Streckensicherung finden selten Erwähnung in den Medien, dabei würde sich ohne ihn kein einziges Rad im sportlichen Wettbewerb drehen - vom Slalomrennen bis Weltmeisterschftslauf der Formel 1. Allenfalls wenn falsche Entscheidungen und Fehlverhalten der Sportwarte der Streckensicherung beobachtet wurden, entstehen plötzlich die hitzigsten Diskussionen in diversen Internetforen.

Doch von außen scheint es ein leichtes zu sein, sich ein Urteil zu bilden, wer aber stand wirlich schon einmal 8 Stunden und mehr, bei jedem Wetter und Tageszeit, an der Rennstrecke? Wer behält wirklich in einer echten Stresssituation die Nerven, wo doch Adrenalin und Aufregung mit der Gefahr Hand in Hand gehen. Wer ist tatsächlich bereit, seine Freizeit, Urlaub und finanzielle Mittel zu opfern, um -nüchtern betrachtet- Autos zu bergen, Ölspuren zu beseitigen oder den halben Tag mit langem Arm Flaggen zu schwenken, um als Dankeschön eine geringe Aufwandsentschädigung vom Veranstalter zu erhalten und im besten Fall ein dankendes Handzeichen der fahrer im Vorbeiflug.

Sicherlich so gesehen ist es nicht jedermanns Sache, diesen Job zu übernehmen, doch die, welche ihn ausüben, machen dies gerne. Jeder persönlich, vielleicht aus unterschiedlichen Beweggründen, aber letztendlich oder gerade auch aus Liebe zum Motorsport und dessen Faszination.

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Teil 2  -  Orgaisation der Streckensicherung

Der Begriff des Sportwartes der Streckensicherung sollte nun allen, die den ersten Teil dieser Serie gelesen haben, geläufig sein. Doch wirklich zufriedenstellende Antwort auf Fragen zu diesem Thema dürfte bisher noch keiner erhalten haben. Der zweite Teil unserer Reihe befasst sich daher mit der Organisation der Streckensicherung.

Der Sinn der Streckensicherung ist es, größtmögliche Sicherheit für Zuschauer, Sportwarte und Rennfahrer jederzeit zu gewährleisten. Dies geht natürlich nur mit einer perfekten Zusammenarbeit aller Sicherheitsbereiche, was folglich eine ebenso perfekte Organisation erfordert.

Die Rennleitung

Das Geschehen auf der Rennstrecke wird bis ins letzte Detail von der Race-Control aus überwacht, in dieser sitzt die Rennleitung. Die modernen Kurse sind komplett Video überwacht, von der Race-Control aus werden alle Einsatzkräfte koordiniert, man steht mit allen wichtigen Posten per Funk und Telephon in Verbindung, handelt im Notfall und wacht über die Einhaltung des sportlichen Reglements im Normalfall.

Letztentscheidender bei Rückfragen ist in der Race-Control der Rennleiter (RL), oberster Verantwortlicher für
die gesamte Organisation und Ablauf der Veranstaltung. Doch alleine die Überwachung des Internationalen Sportgesetzes der Sportbehörde FIA, in Rücksprache mit den gesamten Sportkommissaren der FIA oder des
DMSB erfordert viel Arbeit, weswegen dem Rennleiter ein Leiter der Streckensicherung (LS) unterstellt ist.

An diesen sind die eine Rennveranstaltung tangierende Sicherheitsbelange delegiert, er ist also für die gesamte Sicherheit im unmittelbaren Bereich der rennstrecke verantwortlich. Der LS steht in direkter Verbindung mit den Leitern der Bergungsstaffel (DMSB-Staffel), dem Leiter des Brandschutzes und dem des Sanitätsdienstes,
um beispielsweise Bergungs- und Rettungsfahrzeuge bei gegebenem Anlass zum Einsatzort zu entsenden.

Um Rücksprache zu halten oder Anweisungen an die Streckenposten und deren Sportwarte zu geben, kann der LS die Abschnittsleiter (AL) kontaktieren. Womit wir nun auch den Bereich der rennleitung verlassen und uns draußen an der Strecke befänden.

Streckensicherung an der Rennstrecke

Üblicherweise sind Rennstrecken den Posten nach vom Start bis zum Ziel durchnummeriert. Mehrere Streckenposten fasst man zu einem Abschnitt zusammen. Jeder Abschnitt wiederum besitzt einen Hauptposten, als Kommunikationsstützpunkt und verfügt über einen Abschnittsleiter (AL). Der AL organisiert nicht nur die Besetzung seines Abschnittes im Vorfeld der Veranstaltung, sondern ist auch während des Rennens im
Abschnitt wichtigster Ansprechpartner für seine unterstellten Sportwarte. Der Hauptposten nimmt die Meldungen der ihm unterstellten Posten an der Strecke oder die Anweisungen aus der Rennleitung entgegen
und gibt diese in die entsprechenden Richtungen weiter.

Man kann also sagen, dass die Organisation der Streckensicherung hierarchieähnlich organisiert ist, in der Ausbildung der Sportwarte spricht man auch von der "Pyramide der Verantwortlichkeit", ein System, dass sich bisher ausgezeichnet bewährt hat.

Der Hauptposten steht also mit den Posten in seinem Abschnitt in Verbindung, genauer mit dem auf den Posten bestimmten Postenleiter. Gerade bei Posten, die mit mehreren Personen besetzt sind, die alle unterschiedliche Funktionen übernehmen, koordiniert dieser Leiter die Sportwarte auf dem Posten und ist mit ihnen direkt am Geschehen. Mit den Sportwarten wären wir auch unten in der "Pyramide" angekommen. Sie führen letzt-
endlich die Anweisungen der rennleitung aus oder melden wichtige Details von der Strecke.

Herausforderung Nordschleife

Bei der Organisation und Sicherung der Gesamtstrecke des Nürburgringes, mit ihren über 25 km und der tückischen Nordschleife werden natürlich höchste Anforderungen an die Streckensicherung gestellt.

Die Gegensätze, mit der Nordschleife und Grand Prix Kurs sich einerseits gegenüberstehen und andererseits
doch auf wundersame Weise ergänzen, macht sich auch bei der Streckensicherung bemerkbar: Hightech Kameras werden draußen in der Grünen Hölle durch das alleinige Auge des Sportwartes ersetzt, modernste Kommunikationseinrichtungen vom Feldtelephon verdrängt, Lichtzeichenanlagen sind weitestgehend ein Fremdwort, ein wichtiges Kommunikationsmittel der Sportwarte stellt die Trillerpfeife dar.

Das die Nordschleife dem zu Folge allerdings den Sportwarten bezüglich der Sicherung eine wesentlich höhere Entscheidungsverantwortung und ein größeres Beurteilungsvermögen abverlangt, ist damit auch einleuchtend. Und trotzdem ist es dank perfekter Organisation kein Ding der Umöglichkeit, über 200 Rennfahrzeuge 24 Stunden lang im Renntempo auf der schwierigsten Strecke der Welt zu dirigieren, zu dem höchste Sicherheit für nahe zu 200.000 Zuschauer zu gewährleisten und weiterhin 1.200 Sportwarte, über 30 Sicherheitsfahrzeuge, vom Rettungswagen über feuerwehr, Staffelwagen, E-Unit bis hin zum Intervention Car, 80 bis 100 Sanitäter und ein Team von 40 Ärzten zu koordinieren und das alles auf höchstem Niveau. Wohl
weit mehr als ein Kompliment haben hierfür die Verantwortlichen verdient.

Für den Zuschauer wird die Qualität der Organisation immer zuerst am Sportwart sichtbar, denn dieser steht immer zwischen ihnen und der Rennveranstaltung. Und um dessen Aufgaben befasst sich der nächste Teil unserer Serie.

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Teil 3  -  Aufgaben und Einsatzbereich des Sportwartes

Der dritte Teil unserer Serie über die Helfer an der Strecke befasst sich mit den Aufgaben des Sportwartes während den Rennveranstaltungen.

Sichern, Melden, Retten - Der Grundsatz der Streckensicherung erklärt klar den Sinn der eingesetzten Sportwarte an der Strecke und präzisiert deren Aufgaben und zwar gewollt in dieser Reihenfolge: Sichern, Melden, Retten. Die Aufgabe des einzelnen Sportwartes der Streckensicherung an der rennstrecke richtet sich
im wesentlichen nach ihrem zugeteilten Arbeitsbereich und der allgemeinen Besetzung eines Einsatzpostens,
die wiederum durch das Streckenabnahmeprotokoll der Sportbehörde (FIA / DMSB) festgelegt ist.

Die überwiegend ausgeführte Aufgabe durch den Sportwart ist die Beobachtung des Renngeschehens, also die Überwachung des zugeteilten Streckenbereiches und das selbstständige Zeigen der erforder-lichen Flaggensignale, wie tewa die blaue Flagge während Überhol- und Überrundungsvorgängen. Der Streckenbeobachter ist im Ernstfall für die Absicherung einer Gefahrenstelle -zum Beispiel durch zeigen der gelben Flagge- zuständig. Die Absicherung ist oberste Priorität nach einem Unfall, um Folgeunfälle zu vermeiden und um die Bergungskräfte auf der Strecke abzusichern. Speziell auf der Nordschleife findet man noch Streckenposten, die mit nur einem Sportwart besetzt sind, welche die Funktion der Beobachtung und Absicherung wahrnehmen. In dessen Nähe befindet sich aber immer einer mit -in der Regel- zwei Sportwarten besetzter Posten, von dem ein Wart als Funker die zusätz-liche Aufgabe der Streckenmeldung wahrnimmt,
also wie in Teil 2 unserer Serie beschrieben, mit dem Abschnittsleiter beziehungsweise dem Hauptposten und somit der Rennleitung in Verbindung steht. Die Streckenmeldung der Sportwarte sind sehr wichtig, um Geschehnisse festzuhalten und nicht zuletzt Rettungsmaßnahmen einzuleiten.

Neben den Aufgaben zur Absicherung der Rennstrecke nehmen die Sportwarte der Streckensicherung immer auch teils sportliche Überwachungsfunktionen wahr. Zum Beispiel ob gezeigte Flaggensignale und geltende Fahrvorschriften von den Fahrern beachtet werden. Oder ob sich ein Teilnehmer vielleicht einen Vorteil durch Abkürzen verschafft oder mit einem nach Unfall nicht mehr sicheren Fahrzeug unterwegs ist. Dies gibt in
jedem Fall immer eine Meldung von der Strecke an die Rennleitung, die dann weitere Entscheidungen trifft.

Die Posten an der Rennstrecke sind mit Feuerlöschern, Ölbindemitteln und Besen ausgestattet, um diese bei Bedarf einzusetzen. Bei Veranstaltungen auf der modernen Grand Prix Strecke sind dazu oft Sportwarte speziell als Streckenwart (Besenmann), Brandbekämpfer oder Sanitäter eingesetzt  und speziell in diesen Funktionen ausgebildet. Die Funktion des Brandbekämpfers und Sanitäters ist selbsterklärend, der Strecken-wart hingegen ist für die Bergung von gestrandeten Autos oder die Rein-haltung der Strecke, beispielsweise von Öl oder Fahrzeugteilen, zuständig. Dadurch kann ein Strecken-posten schnell auf eine Größe von bis zu 6 Sportwarten anwachsen und die wichtigen Funktionen der Rettung und Bergung wahrnehmen und im Notfall die Erstversorgung sicherstellen. Bei so vielen verschiedenen Personen auf den Posten ist eine Person als Postenleiter für deren Koordination zuständig.

Unterstützt werden die Sportwarte an der Rennstrecke immer durch die Einsatzfahrzeuge der Rennleitung, der Feuerwehr und der DMSB-Staffel. Die Staffelfahrzeuge arbeiten gerade auch an der Nordschleife Hand in Hand mit den Posten und unterstützen diese bei gefährlichen Rettungen und Bergungen. Mehr dazu gibt es im nächsten teil unserer Reportage zu lesen.


Postenbezeichnung und Besetzung:

A Posten:  7 Sportwarte

  • Streckenpostenleiter
  • Stellvertreter
  • Streckenbeobachter
  • Funker / Telephonist
  • Sanitäter
  • Streckenwart
  • Brandbekämpfer


B Posten:  5 Sportwarte

  • Streckenpostenleiter
  • Streckenbeobachter
  • Funker / Telephonist
  • Sanitäter
  • Streckenwart (gleichzeitig Brandbekämpfer)
    (Einer davon gleichzeitig Stellvertreter des Postenleiters)


C Posten:  3 Sportwarte

  • Streckenbeobachter
  • 2. Funktion wählbar (z.B. Funker)
  • 3. Funktion wählbar (z.B. Streckenwart)
    Davon übernimmt einer die Postenleitung.


D Posten:  2 Sportwarte

  • Streckenbeobachter
  • 2. Funktion wählbar (z.B. Funker)
    Davon übernimmt einer die Postenleitung.


E Posten  1 Sportwart

-  Funktion wahlweise, stets aber gleichzeitig Streckenbeobachter
Heute an der Strecke werden E-Posten kaum noch verwendet. Sonderfall Nordschleife: Einzelposten gibt es dort noch als Sichtverbindungsposten. Diese werden allerdings auch nach und nach auf D-Posten umgerüstet.


S Posten (Sicherungsposten, evtl. beweglich):  1 Sportwart (gegebenenfalls mehr)

-  Funktion als Ordner zur Aufsicht oder Kontrolle von Zuschauerzonen, Sperrzonen oder Straßensperrungen.
   (Wichtig im Rallye Sport)




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